Die Besonnene, die für den Seeuferweg kämpft
Als Treffpunkt hat Esther Meier das Blumen-Café Verdissimo im Zollikerberg ausgesucht. Mit dem Velo komme sie ab und zu hier vorbei. Vor ihr steht eine Tasse Café crème neben einem Stapel von Unterlagen – die meisten zum Thema Seeuferweg. Meier hat sich auf das Gespräch vorbereitet, ihr Engagement ist sofort spürbar. Das Kaffeetrinken vergisst sie denn auch, als sie über ihre Arbeit im Kantonsrat zu erzählen beginnt. Seit 2015 gehört die 65-Jährige zur SP-Fraktion. Dass sie ohne grosse politische Erfahrung – auf kommunaler Ebene war sie zuvor als Schulpflegerin tätig, nicht aber im Gemeinderat – auf Anhieb gewählt wurde, habe sie überrascht. «Ich habe erst mal Zeit gebraucht, mich im Gremium einzuarbeiten», sagt sie. «Mittlerweile bin ich aber angekommen.»
Keine Neiddebatte
Als Neuling musste Meier, die als Verwaltungsassistentin am Universitätsspital Zürich arbeitet und sich privat im Kulturbereich engagiert, mit einer Aufsichtskommission vorliebnehmen und landete in der Justizkommission. Dieser fällt die Aufsicht über das Rechtswesen auf einer allgemeinen Ebene zu: etwa die Prüfung der Verfahrensdauern oder Finanzen. Da die Gerichte von den anderen Staatsgewalten unabhängig sind – Stichwort Gewaltentrennung –, darf sich die Politik nicht in einzelne Verfahren einmischen und den Amtsstellen keine Weisungen erteilen. Im Gegensatz zu den Sachkommissionen biete die Justizkommission weniger Mitgestaltungsmöglichkeiten, sagt Meier.
In den ersten zwei Jahren war es denn auch relativ ruhig um die Zollikerin. «Vorstösse zu machen, ist schwierig, wenn man bei den Debatten in den Sachgremien nicht dabei ist.» Mittlerweile wisse sie den Kantonsrat aber als Meinungsplattform zu nutzen – auch für Themen über die Justizkommission hinaus.
So etwa bei ihrem Vorstoss zum Seeuferweg. Im letzten Juli stellte Meier zusammen mit ihren Parteikollegen Davide Loss und Jonas Erni eine Anfrage an den Regierungsrat. Sie wollten wissen, ob Landaufschüttungen an ausgesuchten Stellen, wie sie im 19. und 20. Jahrhundert dem See ökonomische Bedeutung gaben, jetzt für die neue Erholungsfunktion sinnvoll und berechtigt wären. Die Antwort steht noch aus. «Beim Seeuferweg geht es nicht um eine Neiddebatte», betont Meier. «Die Ufer von Gewässern sind Erholungszonen, die für alle zugänglich sein sollten und nicht von einigen wenigen für sich beansprucht werden dürfen.»
Gegenseite anhören
Neben dem Thema Seeuferweg setzt sich Meier auch für Kultur und Altersfragen ein. Die Rechtslastigkeit des Parlaments sei oft ein Hindernis für linke Anliegen, bedauert sie. «Die Einseitigkeit hat zur Folge, dass Entscheide unter dem Deckmantel der Wählererwartungen durchgedrückt werden, bei denen von Anfang an klar ist, dass man sie später wieder korrigieren muss.»
Als Beispiel nennt sie die Streichung von 1,5 Millionen Franken aus dem Budget des Sozialversicherungsgerichtes für das Jahr 2017. «Schon bei der Debatte wusste man, dass das Budget nicht eingehalten werden kann.» Moderatere Sparvorschläge der Linken fanden dennoch kein Gehör. Wären die politischen Kräfte ausgeglichener, wäre der Rat gezwungen, Kompromisse einzugehen, ist Meier überzeugt. «Einzelne, die sich mit medienwirksamen Anliegen profilieren wollen, hätten zugunsten einer konstruktiveren Politik das Nachsehen.»
Sollte sie 2019 nochmals gewählt werden, öchte Esther Meier in eine Sachkommission wechseln – etwa zu den Themen Gesundheit oder Kultur. Illusionen, die Welt zu verändern, macht sie sich keine. «Das wäre anmassend.» Viele Meinungen seien schon gemacht. Mit den Mitteln des Kantonsrates könne man aber Debatten anstossen. Den Austausch über ideologische Grenzen hinweg weiss sie zu schätzen. «Die Gegenseite hat oft gute Argumente», hält sie fest und ergänzt schmunzelnd: «Auch die SVP hat nicht in allem unrecht.»
Der Artikel erschien am 19. Oktober 2017 in der ZSZ, er wurde von Linda Koponen verfasst.